Alte Apotheke
Kräuter im alten Rittersaal
Über Friedrich Witt, den ersten Apotheker von Mechterstädt, und seine Nachfolger
(Eine unvollständige Aufzeichnung von Rita Specht nach umfangreichen ersten Recherchen von Ortschronistin Doris Strobach im Staatsarchiv sowie vorliegendem Material von Regina Gramm, Albert Hild und Arno Schlothauer.)
Im April 2001 beging die Apotheke in Mechterstädt ihr 150. Jubiläum. Wenige Wochen vor diesem Datum war Apothekerin Regina Gramm, unterstützt durch ihre Schwiegermutter, fündig geworden: Im Thüringischen Staatsarchiv Gotha fand sich eine Urkunde – die Konzession von Herzog Ernst II. , ausgestellt für den Gothaer Bürger Friedrich Witt, geboren 1816, zum Betreiben einer Apotheke in Mechterstädt. Am 7. April 1851 soll der Herzog entschieden haben, am 11. April (laut Albert Hild) soll Friedrich Witt die Konzession erteilt worden sein.
Während Regina Gramm mit offenen Armen im Mechterstädt der Nachwendezeit aufgenommen wurde, hatte es der Städter Witt damals nicht leicht, ein Mechterstädter zu werden. Nachdem bekannt geworden war, dass Witt eine Apotheke im Dorf betreiben will, erhoben die Apotheker aus Ruhla, Waltershausen und Friedrichroda nämlich Einspruch beim Herzog. Sie fürchteten, der Neue könnte ihre Einkünfte schmälern. Als einen Grund gegen die Mechterstädter Apotheke sollen sie angegeben haben, dass den Einwohnern von Mechterstädt und Umgebung der Weg in ihre Apotheken durchaus zuzumuten sei – zu Fuß wohlgemerkt!
Auch in Mechterstädt bläst dem Friedrich Witt zuerst ein scharfer Wind entgegen. Die Gemeindevorsteher, die ihm zunächst (laut Albert Hild) mündlich zugesagt hatten, dass er als „Mitnachbar“ aufgenommen wird, verweigern ihm später die Aufnahme. Da hatte der Apotheker aber bereits das steinerne Haus samt Grundstück für 1.400 Taler erworben.
Wahrscheinlich befürchteten die Mechterstädter, dass die Einkünfte aus einer Apotheke auf dem Land nicht reichten, die Familie Witt zu ernähren, und sie dann die Leute finanziell unterstützen müssten, mutmaßt Hobbychronist Albert Hild in seinen Aufzeichnungen. Die Sorgen der Gemeinderäte sollten nicht unberechtigt sein, wie sich wenig später herausstellte.
Friedrich Witt kämpft erst einmal um sein Recht, die Apotheke führen zu dürfen. Er lässt sich nicht so einfach vertreiben, sondern schreibt an das Herzogliche Justizamt. Und ihm wird Recht gegeben! Im August 1851 beauflagt Justizia Mechterstädt, den Apotheker als Mitnachbar aufzunehmen.
Schon im Februar des folgenden Jahres muss Friedrich Witt einen Zweitjob beantragen, wie man heute sagen würde. Er will nun neben der Apotheke einen Materialwarenladen betreiben. Diesmal sagt das Herzogliche Justizamt Nein. Auch deswegen, weil es schon zwei solcher Läden (nach Albert Hild) in Mechterstädt gab, darunter einen vom Schultheiß Friedrich Salzmann, der umgehend Veto beim Justizamt einlegte.
Witt und Salzmann müssen auf keinem guten Fuß gestanden haben, denn der Schultheiß versuchte auch künftig, dem Apotheker eins auzuwischen. So war es damals Pflicht, dass man ein neues Gewerbe im Regierungsblatt anzuzeigen hatte. Das versäumte Witt. Der Schultheiß bekam davon Wind und petzte das Versäumnis dem Justizamt. Das hat Friedrich Witt aber nicht die Apotheke gekostet.
Geführt hat er sie in den nächsten Jahren ohne nennenswerte Beanstandungen, wie noch vorhandene Revisionsblätter ausweisen. So gibt es beispielsweise ein Protokoll vom 16. September 1858 – Witt war 42, sein Gehilfe Friedrich Platz aus Friedrichswert 18 Jahre alt. Die Revisoren rechneten Rezepte nach und kontrollierten den Giftschrank. Alles war soweit in Ordnung. Lediglich der Kräuterboden musste von verschimmelten Kräutern gereinigt werden, einige kleine Gewichte wurden für zu leicht befunden, und die Kenntnisse des Lehrlings wurden für mangelhaft befunden. Man befand, dass die Apotheke einen zweiten Mann gut vertragen könnte, der den Apotheker vertreten kann. Doch damals müssen die konjunkturellen Zeiten denen von heute ähnlich gewesen sein, denn einen zweiten Mann konnte Friedrich Witt sich nicht leisten.
Trotzdem hat er sich wacker geschlagen. In alten Aufzeichnungen (nach Albert Hild) heißt es, dass in der Witt’schen Apotheke die Mixturen, Kräuter- und Fruchtsäfte und die Tees noch selbst hergestellt wurden. Beim Sammeln half der „Kriterschorsch“, ein tüchtiger Mann und guter Kenner der Kräuter (wer war das – ein Mechterstädter?). Die Kräuter wurden dann im früheren Rittersaal der alten Kemenate im steinernen Haus getrocknet. Es muss ein wunderlicher Anblick gewesen sein, die unzähligen Kräuterbündel inmitten der reichen, ziemlich bunten Renaussanceausmalung des Saales zu sehen, schreibt Albert Hild. Die Genehmigung zum Führen eines Materialwarenladens erkämpft Friedrich Witt schließlich im Januar 1860 doch noch. Bedingung: Er darf weder schmutzende noch stark riechende Waren verkaufen, und die Ware muss von der Apotheke getrennt verkauft werden.
Am 30. Oktober 1878 trat Friedrich Witts Sohn Franz Otto, geboren 1856, in die Apotheke ein – ein approbierter Apotheker. Friedrich Witt tut gut daran, seinen Nachfolger einzuarbeiten. Er stirbt am 10. April 1896. Friedrich Witt, der erste Apotheker von Mechterstädt, hatte die Apotheke 45 Jahre lang geführt – bis ins hohe Alter von 80 Jahren.
Sein Sohn Franz wird ein würdiger Nachfolger. Im Dezember 1897 verfügte das Herzogliche Landratsamt, dass er in Räumen neben der Apotheke die Materialwarenhandlung weiter führen kann. Noch immer reicht das Apothekengeschäft allein nicht aus. Franz Witt starb am 18. Oktober 1920 und wurde im Alter von 64 Jahren, vier Monaten und 17 Tagen in Mechterstädt beerdigt. 42 Jahre lebte er hier, 24 war er Inhaber der Witt’schen Apotheke.
Nach Franz Witt verwaltet ein Herr Schober die Apotheke bis ins Frühjahr 1921. Sie wird dann im Februar des selben Jahres für 200.000 Mark plus Konzession in Höhe von 100.000 Mark an den Apotheker Oscar Jacobi verkauft (woher stammt er?). Der hat nach Überlieferungen offensichtlich ein Alkoholproblem und erprobt sich im Nebenberuf als Tierarzt.
Auf jeden Fall beschwert sich im Dezember 1922 ein Tierarzt Dr. Wittmann bei Medizinalrat Franke in Waltershausen, dass Jacobi auf den Dörfern umherzieht und Tiermedizin verkauft. Außerdem trage Jacobis Briefkopf den Zusatz „Fabrikation von Tierarzneimitteln“. Bis 1926 soll es immer wieder Beschwerden gegen Jacobi gegeben haben, dass er Tiere behandelt. Ein Pferd beim Bauern Seifert in Teutleben soll verstorben sein. Jacobi wehrt sich. Er könne doch nichts dafür, wenn die Leute ihn holten. Arznei für das Pferd habe er nicht verordnet, der Bauer habe sie bei ihm geholt und selbst dem Pferd gegeben.
Schon zweimal soll Jacobi wegen Deliriums in der psychiatrischen Klinik Jena gewesen sein, heißt es. Egal, er schlägt sich durch. 1936 tritt Emma Jacobi, geborene Weidemann, aus Lispenhausen, Landgerichtsbezirk Kassel, von Beruf Apothekerin, als Inhaberin der Apotheke in Mechterstädt auf.
Sie erhält am 31. März 1937 die Erlaubnis, in ihrer Apotheke im Haus mit der Hausnummer 84 im angrenzenden Kolonialwarengeschäft einen Kleinhandel mit Branntwein zu betreiben. Für die Erlaubnis bezahlt sie 28 Reichsmark. Dazu eine Genehmigungssteuer in Höhe von 25 Reichsmark, woran man sehen kann, dass hohe Steuern keine Erfindung der Neuzeit sind.
Am 21. März 1940 tritt Friedrich Jacob Keller, geboren am 8. Oktober 1910 in Neckarshausen/Baden, als Apotheker in Mechterstädt auf. Adresse nun: Hauptstraße 14. Als Pächter sei er gezwungen, den Branntweinhandel der Frau Jacobi wegen des geringen Apothekenumsatzes fortzuführen, schreibt er an das Kreisamt Gotha, und bittet um Übertragung der Genehmigung dafür. Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt wird mit „Heil Hitler“ unterzeichnet.
In den Aufzeichnungen des Mechterstädters Arno Schlothauer, „Mechterstädter Dorfgeschichten“, kann man lesen, dass von 1949 bis 1959 der durch den Krieg vertriebene und aus Breslau stammende Zahnarzt Dr. Artur Both in der alten Apotheke eine Praxis zum Segen seiner Patienten betrieb.
Die Apotheke von Fritz Keller wurde nach dessen Weggang in das damalige Westdeutschland verstaatlicht und ab 1950 durch Apotheker Fritz Altenbrunn weitergeführt, schreibt der ehemalige Schuldirektor von Mechterstädt. Fritz Altenbrunn sei 1960 in Pension gegangen und nach Gotha verzogen.
In Fritz Kellers Zeit muss die Apotheke in die Eisenacher Straße verlegt worden sein. 1946 stellte er den Bauantrag zum Umbau als Apotheke. Dort wurde sie 30 Jahre lang bis 1990 von der mit ihrer Familie nach Mechterstädt zugezogenen Apothekenassistentin Brigitte Wendt geführt – als Zweigstelle der Staatlichen Tenneberg Apotheke Waltershausen. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ist nicht mehr die Rede von einem Zweitgeschäft.
Im Mai 1992 wird die Apotheke in der Eisenacher Straße geschlossen. Im Oktober des selben Jahres eröffnet die Tabarzer Apothekerin Regina Gramm ihre „Hörsel-Apotheke“ an diesem Standort. Nach dem Neubau des Ärztehauses der Arztfamilie Rommel zog sie mit der Hörselapotheke im November 1993 in dieses Haus auf dem Schulhög mit ein. Von hier aus werden die Orte der Verwaltungsgemeinschaften “Hörsel” und “Hörselberg” seitdem umfangreich medizinisch versorgt und die Bürger medizinisch sehr gut beraten.